Samstag, 12. Dezember 2015

Offenheit leben und Gefühle ausdrücken

Lange Zeit war ich eine sehr introvertierte und verschlossene Persönlichkeit. Wenn mich jemand fragte wie es mir ging erwiderte ich jeweils “Gut”. Oft genug stimmte das nicht. Ich hatte gar keinen richtigen Zugang zu meinen Gefühlen. Wenn es mir mal schlecht ging, dann erkannten meine Mitmenschen meinen Zustand in nur sehr seltenen Fällen. Ich hatte oft eine perfekte und emotionslose Maske auf.
Als ich 15 war starb mein Vater, was für mich ein einschneidendes Erlebnis war. Doch ich ließ mir nichts anmerken. Eine Mitschülerin sagte mir einmal: “Ich habe zu dieser Zeit nicht sagen können was damals passierte. Du warst ein wenig ruhiger als sonst. Abgesehen davon war kein Unterschied wahrnehmbar.”
In mir brodelte es. Meine Traurigkeit nagte an mir. Ich weinte mich teilweise alleine in den Schlaf. Doch die Tränen flossen nur verhalten. So richtig öffnen konnte ich mich nicht. Nicht einmal mir selbst gegenüber, geschweige denn meinen Mitmenschen. Ich hielt alles in mir verschlossen.
Monate später bekam ich Probleme mit meinem Hals. Er schmerzte und ich hatte Mühe beim Atmen. Ich ließ mich bei einem Hals-Nase-Ohrenarzt untersuchen. Alles war in Ordnung. Der Arzt meinte daraufhin es sei psychosomatisch. “Was?! Ich? Ich habe doch keinen Knacks!” Mit völligem Unverständnis verließ ich die Praxis. Doch irgendwie brachte mich das zum Nachdenken.
Ich sprach mit meiner damaligen Freundin über mein Arzt-Erlebnis. Während dem Gespräch konnte ich mir plötzlich vorstellen, dass mein Hals-Problem vielleicht doch wegen des Todes meines Vaters aufgetreten sei. Wir sprachen weiter und auf einmal kullerten mir Tränen hinunter. Ich fing an verhalten zu schluchzen und konnte sogar ein wenig vor ihr weinen. Wochen zuvor war das noch undenkbar gewesen.
Mein Erlebnis hat mir gezeigt wie wichtig es ist Emotionen zu zeigen und darüber zu sprechen. Ich konnte nicht alles selbst verarbeiten. Erst in Gesprächen mit meiner Freundin verarbeitete ich die Trauer. Die psychosomatischen Symptome haben sich dadurch gelindert.
Auch wenn es nicht immer einfach ist, sich zu zeigen und sein Inneres nach außen zu tragen ist es elementar wichtig, Möglichkeiten zu finden dies zu tun. Der Vergleich eines Dampfkochtopf auf dem Herd kommt  dem ziemlich nahe. Irgendwann muss der Druck raus. Je eher desto besser.
Wenn Du dich nicht öffnen kannst wird sich dies auf die ein oder andere Art bemerkbar machen. (In meinem Fall kam es zu enormen psychosomatischen Symptomen.) Falls es dir ähnlich schwer fällt, dich zu öffnen, dann solltest du einen Weg finden Emotionen, Empfindungen und Gedanken aus dir zu lassen. Optimalerweise besprichst du deine Anliegen mit einem vertrauensvollen Freund, oder holst dir Hilfe bei einem Psychologen.
Für mich gibt es diverse Gründe damit du anfängst dich zu öffnen. Hier eine kleine Liste:
Übe dich darin, emotionalen Druck abzulassen, indem du dich jemanden anvertraust. Du wirst dich erleichtert fühlen, wenn du dich geäußert hast.
Im Gespräch mit Anderen wirst du erkennen, dass du nicht die/der Einzige mit dem Problem bist. Es werden bestimmt viele andere in deinem Umfeld mit denselben Thematiken zu kämpfen haben. 
Wenn du dich einer anderen Person öffnest dann zeigst du dein Inneres.  Die Menschen um dich herum  werden erstaunt sein, wie vielfältig und umfangreich dein Inneres ist. Sie werden etwas Neues über dich erfahren. Nicht nur das. Sie werden sich oftmals deswegen angezogen fühlen. Eure Beziehung wird sich höchst wahrscheinlich vertiefen.
Den letzten Punkt meine ich wirklich ernst. Ich habe erfahren wie sich Beziehungen vertieft haben, nur weil ich, oder der andere sich geöffnet hat. Ein extrem bereicherndes Gefühl. Das hat mir zunehmend die Angst genommen mich der Person weiterhin zu offenbaren. 
Bevor du nun rausgehst und jedem deiner Kollegen offenbarst wie es dir geht, will ich dir noch etwas auf den Weg geben. “Nicht alle reagieren gelassen auf deine Offenheit und wertschätzen es auch” . Daher ist Vorsicht geboten. Die anfängliche Angst sich zu öffnen ist berechtigt.
Wenn du dich zu öffnen beginnst, bist du an einem verwundbaren Ort. Zeigst du dein Inneres den falschen Personen kannst du verletzt werden, indem sie dein Vertrauen missbrauchen. Daher solltest du dir gut überlegen, oder noch besser deine Intuition entscheiden lassen, wem du dein Anliegen anvertrauen möchtest.
Kurz gesagt:
Nicht jeder reagiert gelassen auf deine Offenheit. 
Nicht jeder nimmt dich so wie du bist.
Überlege dir gut wem du dich anvertrauen möchtest. Nutze dabei deine Intuition.
 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen