Dienstag, 18. August 2015

Die drei Rosinen

Ich erinnere mich noch genau an meine erste Rosinenmeditation:


Ich bekomme drei Rosinen. Die erste Rosine liegt nun auf meiner linken Handfläche. Ich betrachte sie genau. Schaue mir an, welche Farbe sie hat, welche Größe, welche Form, an welcher Stelle war der Stiel festgewachsen, betrachte die Runzeln - und mir kommt der Gedanke:
eigentlich sieht das Ding in meiner Hand aus wie eine alte verrunzelte Zecke.
Obwohl ich bisher nie eine Abneigung gegen Rosinen hatte, kommt ein Ekelgefühl in mir hoch, dass ich das Ding in meiner Hand noch einige Zeit eingehend betrachte, macht das Ganze nicht besser.

Nun geht es darum, die Rosine zu hören. Ich bewege also meine "Zecke", während ich sie ans Ohr führe, zwischen meinen Fingern.
Was hat sie mir wohl zu sagen?
Nein, nicht dass sie etwa mit mir spricht, aber es entsteht tatsächlich ein Geräusch, wenn ich sie zwischen meinen Fingern bewege.
Als nächtes nehme ich den Geruch der Rosine wahr. Sie riecht irgendwie muffig, leicht schweflig?
Jetzt beginnt, der für mich, schwerste Part. Ich führe die Rosine, meine imaginäre Zecke, an die Lippen, lasse sie in den Mund gleiten. Da muss ich jetzt durch. Ich stelle mir vor, ich bin im Dschungelcamp und habe eine Prüfungzu bestehen. Ich schaffe das!
Das Ding bleibt eine Weile im Mundraum liegen, bevor ich es langsam, ganz langsam zerkaue. Einfach nur kauen und schmecken. Möglichst lange. Möglichst intensiv. Mit der Zungenspitze schiebe ich das runzelige Etwas von der rechten Backentasche in die linke. Beiße mit den Schneidezähnen vorsichtig darauf herum. Ertaste ob es fest ist, oder weich und am Ende schlucke ich es hinunter.
Ich habs geschafft, ich habe die Dschungelprüfung bestanden.

Ich staune, minutenlang waren drei Rosinen mein Lebensmittelpunkt.

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